Schützt die Grippe-Impfung auch vor COVID-19?

Einige Studien deuten darauf hin, dass die Influenza-Impfung einen COVID-19-Verlauf positiv beeinflussen und sogar die Anfälligkeit für die Corona-Infektion selbst vermindern könnte.

So haben Wissenschaftler der University of Miami Miller School of Medicine herausgefunden, dass zuvor gegen Influenza geimpfte COVID-19-Erkrankte signifikant weniger häufig in der Notaufnahme vorstellig wurden (bis zu 58% weniger). Auch benötigten sie seltener eine Behandlung auf der Intensivstation. Zudem scheint das Risiko für Schlaganfall, Sepsis („Blutvergiftung“) und tiefer Venenthrombose bei gegen Influenza geimpften Menschen sehr deutlich reduziert zu sein. Dies wurde bei Menschen beobachtet, die sich 2 bis 24 Wochen vor ihrer COVID-19-Erkrankung gegen Influenza impfen ließen. Als Vergleich diente eine gleichgroße Gruppe von COVID-19-Patienten, die aber zuvor keine Impfung gegen die Grippe erhalten hatten. Ausgewertet wurden dazu Daten von fast 75.000 COVID-19-Patienten aus Deutschland, Israel, Italien, Singapur, UK und der USA. Präsentiert wurden die Ergebnisse auf dem Europäischen Kongress für Klinische Mikrobiologie und Infektionskrankheiten im Juli 2021, eine Publikation soll folgen.

Eine ebenfalls sehr große, auf brasilianischen Patientendaten basierende Studie mit fast 54.000 klinisch bestätigten COVID-19-Fällen legt nahe, dass eine Grippe-Impfung sogar nach Einsetzen der COVID-19-Symptomatik einen günstigen Effekt auf den Krankheitsverlauf hatte. Auch zeigten geimpfte Patienten insgesamt einen leichteren Krankheitsverlauf sowie eine höhere Überlebenschance als Nichtgeimpfte.
Dass sich Ungeimpfte signifikant häufiger mit den Corona Viren (SARS-CoV-2) infizierten als die geimpfte Vergleichsgruppe, beobachteten Forscher aus Michigan auf der Grundlage von über 27.000 ausgewerteten Patientendaten. Zusätzlich hatten die Covid-19-Erkrankten, die gegen die Grippe geimpft waren, auch hier einen leichteren Krankheitsverlauf.

Doch wie erklärt sich die mögliche Assoziation zwischen Grippe-Impfung und den positiven Effekten auf COVID-19? Adressiert ist eine Impfung immer spezifisch gegen einen ganz bestimmten Erreger. So schütz  die Influenza-Impfung gegen die Grippe auslösenden Influenzaviren, indem die spezifische (erlernte) Immunabwehr stimuliert und auf genau diesen einen Erregertyp geprägt wird. Wissenschaftler vermuten, dass die Influenza-Impfung in irgendeiner Form auch die unspezifische (angeborene) Immunabwehr stärkt und damit die leichteren COVID-19-Verläufe erklärt werden könnten. Verschiedene Immunzellen des unspezifischen Immunsystems erkennen einen Erreger oder eine infizierte körpereigene Zelle, ohne zu „wissen“, um welchen Erreger es sich genau handelt. Sie können Eindringlinge deshalb manchmal nicht so effektiv bekämpfen wie das spezifische Immunsystem. Dafür treten die Abwehrreaktionen aber deutlich schneller ein als bei der spezifischen Immunabwehr.

Nicht alle bislang durchgeführten Studien belegen diese positiven Effekte einer Grippe-Impfung auf den Verlauf der COVID-19-Erkrankung. Jedoch gibt es Hinweise, die weiter untersucht werden müssen, auch im Hinblick auf die möglichen zugrundeliegenden Wirkmechanismen. Zudem sollte der Aspekt berücksichtigt werden, dass sich Menschen, die sich gegen Influenza impfen lassen, vielleicht generell etwas vorsichtiger und gesundheitsbewusster verhalten.


Erstellt: 12.10.2021

Quellen:

  1. www.eurekalert.org/news-releases/887579, abgerufen am 23.07.21
  2. G. Fink et al.: Inactivated trivalent influenza vaccination is associated with lower mortality among patients with COVID-19 in Brazil, BMJ Evidence-Based Medicine 2021;26:192–193, http://dx.doi.org/10.1136/bmjebm-2020-111549
  3. A. Conlon et al.: Impact of the influenza vaccine on COVID-19 infection rates and severity, AJIC 49 (2021) 694-700, doi.org/10.1016/j.ajic.2021.02.012